Montag, 30. März 2009

Galileo

Medienanalyse der Sendung: Galileo, Pro7, Freitag, 27.März 2009

Das Infotainmentmagazin Galileo läuft sonntags bis freitags von 19:10 Uhr bis 20:15 Uhr auf dem Privatsender Pro7. In der Fernsehwerbung relativ häufig als „Wissenschafts-Magazin“ bezeichnet, trägt die Sendung selbst keinen solchen Untertitel, wird auf der Internetseite des Senders allerdings als „das ProSieben Wissensmagazin“ tituliert. Mit diesem feinen Unterschied von Wissen und Wissenschaft wird nicht nur im Titel der Sendung gespielt, sondern auch in der scheinbar wissenschaftlichen Aufmachung der Sendung. Da diese sich an eine vornehmliche junge Zuschauerschaft richtet, wird diese den Unterschied zu seriösen Wissens- und Wissenschaftsmagazinen, wie sie beispielsweise die öffentlich-rechtlichen Sender anbieten, kaum bemerken.
Dieser Eindruck ist auch in der Sendung vom 27.März 2009 erkennbar. Der erste Beitrag ist ein „fake-check“. Ein offensichtlich manipuliertes Video von der Internetplattform youtube wird gezeigt, in dem ein Bruce Lee-Double Tischtennis mit einem Nunchaku (einer asiatischen Kampf-Sportwaffe) spielt, und das in einem ausführlichen, 13-minütigen Bericht auf seine Echtheit überprüft wird. Immer wieder wird das falsche Video gezeigt, um auch Späteinschaltern einen Einstieg in den Bericht zu ermöglichen, dabei wird der Kämpfer nur noch Bruce Lee genannt, obwohl dieser seit 1973 tot ist, sein Name soll jedoch Interesse für den Bericht wecken. Es werden echte Tischtennisspieler zur Echtheit befragt, die somit als Experten dienen. Die Aussagen sind jedoch simpel: „Der wesentliche Unterschied zwischen Holzstab und Tischtennisschläger ist die Schlagfläche.“ Dazu werden Zeitlupenaufnahmen gezeigt, um die Aussage zu „beweisen“. Anschließend wird Ausführlich der Bau eines Nunchakus gezeigt, dessen Besitz und Handhabung in Deutschland allerdings gesetzlich verboten sind, dessen Nachbau nun aber für jeden Zuschauer möglich ist. Die Handhabung wird von einem deutschen Kung-Fu Meister demonstriert, der schließlich „durch einen Trick“ und „nach langem Training“ im Spiel gegen den Tischtennisprofi jeden Ball trifft („Die Zeitlupe beweist es.“). Am Ende des Berichts bekennen die Redakteure, dass sie „nach langer Recherche“ herausgefunden haben, dass der Ball mit dem Computer hineingeschnitten wurde.
Im zweiten Bericht sollen acht Tricks verraten werden, mit denen der Kunde in Ikea-Filialen zum Kauf verführt werden soll. Was wie eine kritische Betrachtung der Verkaufsstrategie klingt, wird zu einem 15-minütigen Werbefilmchen zu einer neuen Ikea-Filiale. Ausführlich werde die einzelnen Abteilungen genannt, einzelne Produkte und ihr Zweck werden beschrieben, es wird immer wieder der niedrige Preis genannt und die gute Qualität. Untermauert werden die acht Tricks durch Experten (vornehmlich Ikea-Mitarbeiter), welche den Laien (den Zuschauern) alles erklären. Auch psychologische Studien werden zitiert. Am Ende wird das Fazit präsentiert, dass man dank der psychologischen Tricks nach einem Besuch bei Ikea, obwohl man nichts kaufen wollte und dennoch viel zu viel kaufte, trotzdem das Gefühl hat, Geld gespart zu haben. „Wenn das nichts ist in Zeiten der Wirtschaftskrise...“
Dem Verdacht, dass der Zuschauer gerade eine Vermischung von Werbung und Programm aufgesessen sein könnte, begegnet der Sender, indem nach der Werbung für Ikea nun der fünf minütige Werbeblock eingespielt wird.
Danach geht es mit der Suche nach dem besten Kochbuch weiter. Auch hier wird nicht deutlich, nach welchen Kriterien die vier Kochbücher und das online-Kochbuch ausgewählt wurden. Auch sind die Marken verwendeter Zutaten immer wieder im Bild zu sehen. Unerfahrene, aber sehr attraktive Köche der Zielgruppe testen und bewerten, der Wettkampf wird durch das martialische Vokabular noch verstärkt, das stark an die Programmvorschauen z.B. zur Mysterie-Serie Fringe erinnert, die davor zu sehen war. Immer wieder werden Tabellenstand genannt, Fehler und Chancen ins Spiel gebracht, die Schnittfolge ist schnell, immer wieder wird zwischen den Kontrahenten hin- und hergeschnitten, um den Wettbewerbseffekt zu verstärken, immerhin geht es um „Deutschlands bestes Kochbuch“. Erst beim Endergebnis wird dieser Begriff auf „Galileos bestes Kochbuch“ reduziert, aber wer schaut so einen Bericht schon bis zu ende?
Nach einem zweiten Werbeblock werden wissenschaftliche Studien auf ihre Seriosität gecheckt. Offensichtlich um den Wert der eigenen Berichte der Sendung zu verbessern, werden Studien mit Zeichentrickfiguren und Wortspielen wie dem Zusammenhang „zwischen Kinnspitze und Spitzheit“ bei Frauen, die öfter fremdgehen ins Lächerliche gezogen. Die Wissenschaftler zappeln herum, machen lustige Geräusche und am Ende werden die Ergebnisse ihrer Studien hinterfragt.
Aber zum Glück wird es anschließend wieder richtig wissenschaftlich, wenn Pro7 Piratenmythen untersucht. Zufällig hat der Sender drei Tage später mit „Fluch der Karibik 2“einen Blockbuster im Programm, der sich auch um Piraten dreht. Wie in der gesamten Sendung werden auch hier mit pseudowissenschaftlichen Methoden drei Mythen untersucht. So wird z.B. versucht, mit einer Kanone ein Schiff zu versenken. Allerdings wird ein „kleines Schiff“ genommen und daher auch eine „kleine Kanone, damit das Verhältnis stimmt“. Es wird nicht genauer darauf eingegangen, wie diese Verhältnismäßigkeit bestimmt wird. Wissenschaftlich ist das nicht. Aber die Fragestellungen werden immer und immer wieder wiederholt, bis die Ohren bluten (was ich allerdings wissenschaftlich auch nicht belegen kann).
Insgesamt handelt es sich bei der Sendung Galileo auf Pro7 um eine Infotainmentsendung, die inhaltlich fragwürdige Beiträge in pseudowissenschaftlicher Weise darstellt und dabei Information und Entertainment in einer der Zielgruppe angemessenen Art mischt und verbreitet und die dabei auch nicht vor Productplacement zurückschreckt, während sie gleichzeitig den Anschein von Wissenschaftlichkeit zu vermitteln versucht. Es gibt keine klar erkennbaren Grenzen zwischen Werbung und Programm, die Beträge selbst sind sprachlich redundant, was ein Reinzappen und Hängenbleiben erleichtern soll. Die Schnittfolge ist schnell und jugendlich, Zeitlupenaufnahmen lassen schnelle Bewegungen noch spektakulärer erscheinen, Themen und Präsentation sind an einem jugendlichen Zielpublikum ausgerichtet. Inhalt und Qualität können (und wollen) jedoch bei weitem nicht mit vergleichbaren Sendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen mithalten.

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